Roboadvisor – Alternative der Zukunft?

Das Kunstwort „Roboadvisor“ begegnet Anlegerinnen und Anlegern in den letzten Jahren immer öfter: Es setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen für „Roboter“ und „Berater“. Aber funktioniert Individualität durch Technik?

Der Trend entstand in den USA nach der Finanzkrise, nachdem die Branche massiv Vertrauen verloren hatte und findet auch bei uns immer mehr Freunde. Die Idee kombiniert automatisierte Prozesse mit niedrigen Kosten für die Produkte und Dienstleistungen.

Im Kern nutzen Anleger einen softwaregestützten, stringenten Weg, der ihre Daten abfragt und passende Depotvorschläge generiert. Depoteröffnung und Investition erfolgen relativ einfach, ein Online-Zugriff auf die Depots ermöglicht Durchblick zu jeder Zeit.

Anbieter benötigen klassische Zulassungen, je nach Tätigkeit: Geht es „nur“ um die Beratung und Vermittlung von Investmentfonds – übrigens einschließlich ETF’s – unterliegen sie der Gewerbeordnung, agieren sie darüber hinaus und verwalten Depots für ihre Kunden, benötigen sie eine Zulassung nach dem Kreditwesengesetz.

Für Kunden immer interessant: Die Haftung – wer trägt also die Verantwortung, wenn eine Anlage nicht passt? Das kommt darauf an: Erteilt ein Kunde einen konkreten Auftrag für selbst gewählte Produkte – eine „execution only“, der Anbieter führt also nur aus – gilt die eigene Verantwortung.

Als Beispiel: Die Auswahl von Anlageprodukten bei einer Direktbank im eigenen Depot, seien es aktive Investmentfonds, ETF’s oder Aktien. Falsch gewählt? Pech gehabt.

Robos setzen immer eigene Daten voraus, neben den allgemeinen wie Name, Adresse auch individuelle: Anlagehorizont, Anlagebetrag oder Risikofragen. Durch diese Datenerfassung – in der persönlichen Finanzberatung seit Jahren gesetzlich vorgeschrieben – erfüllen die Online-Datenstrecken die Kriterien einer Online-Beratung, die individuell passende Produkte vorschlägt und damit greifen die entsprechenden Haftungsregeln. Für Verbraucher eine gute Nachricht.

Die noch jungen Fintechs und auch etablierte Banken, die zunehmend Roboadvisory anbieten, parieren damit die rechtlichen Anforderungen der Beratung und den entsprechenden Aufwand. Über standardisierte, kostengünstige und relativ schlanke Wege erfüllen sie Auflagen und „managen die Kunden“. Aber auch klassische „menschliche Berater“ kommen schon seit Jahren nicht mehr ohne eine hochwertige Software aus, die Prozesse und Entscheidungen erleichtert und dokumentiert. Der Kostendruck führt zu Lösungen, die der Finanzbranche bei sinkenden Einnahmen ein rentables Geschäftsmodell erlauben. Tausende Bankberater suchen gerade neue Jobs, da die gesamte Branche im Umbruch ist. Das ebnet Alternativen den Weg.

Sind Robos für Verbraucher die besseren Berater? Da drängt sich gleich der schöne Spruch „Garbage in – garbage out“ (Müll rein – Müll raus) auf – die Qualität der Depot- und Produktangebote hängt von der Auswahl, der Programmierung und den Menschen dahinter ab. Günstige und vor allem transparente Kosten stellen ein gewichtiges Kaufargument dar – Verbraucherschützer weisen immer wieder darauf hin. Für die Beraterbranche gilt: Je geringer der individuelle Aufwand pro Kunde, unter anderem durch lange und/oder viele Beratungsgespräche, desto eher kann trotzdem Geld verdient werden. Und seien wir ehrlich: Für ähnliche Kunden eignen sich auch ähnliche Lösungen. Intelligente Konzepte, die viele Depotstrukturen anbieten, Risikokontrolle berücksichtigen und damit zwar automatisiert, aber trotzdem individuell agieren, finden zu allererst bei jüngeren, technikaffinen Menschen Zuspruch, aber sicher auch bald in weiteren Zielgruppen. Der Markt entscheidet in den kommenden Jahren, in welchem Maße die neuen Lösungen Marktanteile erringen. Besonders in schwierigen Börsenzeiten trennt sich hier die Spreu vom Weizen.

Fazit: Was hier in Deutschland erst beginnt, löst vielleicht das Problem, das „normale Anleger“ kaum noch gute Beratung vorfinden, weil sie sich für die Branche vermeintlich nicht lohnt. Aber nur wenige Kunden – auch wenn künftig mehr Finanzbildung stärker über Chancen und Risiken aufklärt – legen am Ende selbst ihre Gelder an. Zu wenig eigene Kompetenz oder einfach nur Arbeitsteilung bescheren der Finanzbranche auch künftig Kunden. Eine Standardisierung ermöglicht gute Finanzlösungen für Alle. Im Ursprungsland der Roboadvisors, den USA, gehört auch die Anlage größerer Beträge über Online-Wege zum Alltag. Wenig Zeit und niedrige Kosten treiben die Nachfrage auf Kundenseite. Wenn die Ergebnisse stimmen, stärken sie den Ruf und die Akzeptanz moderner, technisch unterstützter Finanzberatung.

©Text/ Foto/ Grafik Renate Kewenig, Finanzverstand 2020