Kommentar zu: ZDF – Die Wahrheit übers Erben

Journalistische Freiheit ist ein hohes Gut, das gilt für die Autoren/ Autorin des Features, das die Wahrheit übers Erben versprach.

Die Sendung enthielt auch viel Wahres: Erb- und schenkungsrechtliche Freibeträge an Kinder von 400.000,–€ zum Beispiel, die alle 10 Jahren jeweils steuerfrei bleiben.
Im Erklärteil von Uwe Ochsenknecht füllte sich ein Kristallglas mit offensichtlich gutem Whiskey schluckweise symbolisch um jeweils 800.000€ alle zehn Jahre. Damit hat ja wohl offensichtlich jedes Elternteil quasi gleichzeitig über einen längeren Zeitraum zu Lebzeiten „mit warmer Hand“ gegeben, steuerfrei.

Wahr ist auch, dass einem sehr kleinen Teil der Gesellschaft der Großteil des Vermögens gehört. Vermögen, dass vor allem in Unternehmen gebunden ist, aber über unterschiedliche Konstruktionen auch das private Vermögen mehrt. Steuergestaltung ermöglicht im Erbfall geringe oder keine Steuerzahlung.
Oder die Tatsache, dass viele Reiche vernetzt sind, unter anderem über ihre Ausbildung, zum Beispiel das Internat Schloß Salem am Bodensee und damit qua Geburt, vom Start weg, Privilegien genießen. Dass mit den Privilegien auch Pflichten und Risiken, zum Beispiel als Arbeitgeber verbunden sind, wird nur im Nebensatz erwähnt.

Grundthema des gesamten Beitrages: Ist es gerecht, reich geboren zu werden, ohne eigene Leistung ein vermögendes Leben zu führen, während der große Rest der Bevölkerung da nie hinkommt?

Beispiele vor allem junger Leute mit Einkommen von 1400 bis 2400 €, in Berufen wie Verkäuferin oder Taxiunternehmer, die kein Vermögen erben, geschweige erreichen werden, stellten den Gegenpol dar: Wahr ist, hohe Mieten und Immobilienpreise verhindern schönes Wohnen oder Eigentumserwerb für viele, gerade in Ballungsgebieten, und nicht alle Eltern haben etwas zu vererben.

Aber mein Eindruck war, hier wird der alte Traum der Menschheit nach Gleichheit zelebriert, schon die politischen Versuche des Kommunismus sind gescheitert. Schön nachzuvollziehen in George Orwell’s “Animal Farm“ – alle sind gleich, aber einige sind gleicher. Böswillig könnte man es auch Anstiftung zum Klassenhass nennen. Oder ist es die gute alte Neiddebatte? Dem Sinne nach: Ich bin so alt wie Du, habe es aber viel schlechter, weil mein Papa nicht reich ist! Das ist ungerecht!

Mit der Gerechtigkeit ist es so eine Sache, es gibt sie nicht. Der Staat versucht, Ausgleiche zu schaffen mit Sozialsystemen, Sparförderung oder hoffentlich bald mal wieder sozialem Wohnungsbau. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kluft verschärft, auch das ist wahr. Vor allem die Mittelschicht zahlt die steuerliche Zeche, sie kann nicht ins Ausland abwandern oder eine Stiftung gründen. Gerade dort wären Steuerentlastungen sinnvoll.

Wer aber nach dem einfachen Prinzip: Nehmt es den Reichen weg! agiert, wird bald den Wegzug von Arbeitsplätzen beklagen.

Um zum Erben zurück zu kommen: Wir wollen nicht vergessen, dass vorhandenes Vermögen schon mehrfach besteuert ist – Kapitalerträge, Gewinne, Einkommen um nur einige Töpfe zu nennen. Und das gilt für alle Erblasser und Erblasserinnen! Dabei leisten die Reichen auch ihren Beitrag über die bestehenden Besteuerungswege. Abgesehen von Spenden und anderem karitativen Engagement.

Ich stelle mir die Frage, ob der Autor, der im Beitrag oft auf die Netzaktivitäten des Kögelerben verweist, der dort regelmäßig sein schönes Leben postet, ein Neidproblem hat?

Oder hat er verpasst, dass der Wahlkampf schon eine Weile vorbei ist?

 

©Text/ Foto/ Grafik Renate Kewenig, Finanzverstand 2021